Das Klingelschild, endlich wieder eigene Post und zuverlässig warmes Wasser: Es sind Alltäglichkeiten, die für die Bewohner eines Mehrfamilienhauses im Frankfurter Stadtteil Sossenheim nach wie vor etwas ganz Besonderes sind. Nach teilweise Jahrzehnten auf der Straße haben sie über ein gemeinsames Housing-First-Projekt der Stadt Frankfurt, der GWH und der Diakonie Frankfurt und Offenbach wieder zurück in ein geschütztes Leben gefunden. 12 ehemalige Obdachlose leben dort in eigenen Wohnungen mit eigenem Mietvertrag. Unterstützung und Beratung erhalten sie von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern der Diakonie, die im Erdgeschoss des Wohnblocks ein Büro haben.
„Es sind viele Gespräche und Begleitung notwendig, bis der Schritt in eine eigene Wohnung möglich wird. Jeder Einzug ist für mich wichtig, es bringt für die Menschen ein Stück Normalität und soziale Teilhabe“, sagt Frankfurts Sozialdezernentin Elke Voitl bei der Vorstellung des Projektes am Dienstag (20.09.22). Es sei ihr ein besonderes Anliegen, in Frankfurt noch viel mehr solcher Angebote nach dem Housing-First-Ansatz zu schaffen: „Die Strukturen und Expertise, diese erfolgreich umzusetzen, sind in unserer Verwaltung wie bei unseren Trägern gegeben. Was fehlt, ist ausreichender Wohnraum.“ Daher sei sie der GWH besonders dankbar, dass sie sich ihrer sozialen Verantwortung als Wohnungsunternehmen stelle und an dem Projekt beteilige.
„Die GWH hat sich immer als ein Wohnungsunternehmen verstanden, dass über den Tellerrand hinausschaut und einen aktiven Beitrag zum Zusammenhalt in unserer Gesellschaft leistet“, sagt der Geschäftsstellenleiter der Geschäftsstelle Süd der GWH, Michael Back. Die ehemaligen Obdachlosen haben mit der GWH eigene unbefristete Mietverträge, die auch nach der im kommenden Jahr startenden Sanierung des gesamten Gebäudekomplexes bestehen bleiben.
Da nach Jahren auf der Straße der Weg in eine eigene Wohnung und hin zu einem selbstbestimmten, sicheren Leben mit einigen Hürden verknüpft sein kann, beraten und unterstützen Mitarbeitende der Diakonie die Menschen. Sie sind steter Ansprechpartner für Probleme von der Gesundheitsversorgung bis hin zu notwendigen Behördengängen. Housing-First ist mehr als „Housing Only“. Die Wohnung als Schutzraum und Quelle eines Sicherheitsgefühls ist eine wichtige Voraussetzung. Bei persönlichen und gesundheitlichen Krisen oder wenn soziale Isolation und Verelendung drohen, ist professionelle Unterstützung dringend nötig. „Dafür stehen unsere Fachkräfte und dazu vernetzten wir uns auch eng mit den Angeboten der Wohnungsnotfallhilfe“, sagt der Diakoniepfarrer und theologische Geschäftsführer des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach, Markus Eisele.
Nach vier Jahren auf der Straße bedeutet für Sabine Reuss ihre Wohnung Sicherheit, sie ist dankbar für warmes und sauberes Wasser. Und sie freut sich, dass sie nun auch auf Jobsuche gehen kann, denn „wenn du keine Adresse hast, will dich auch kein Arbeitgeber“, so die 47-Jährige.
Achim Kaffenberger, erster Bewohner des Projektes hat zuvor 30 Jahre in der Obdachlosigkeit gelebt und dabei meist auf Friedhöfen übernachtet. Für ihn ist seine 30 m² große Wohnung wie „ein Sechser im Lotto“. Und wenn der gebürtige Odenwälder dann mit feuchten Augen von seinem Gefühl erzählt, als er seinen Namen am Klingelschild entdeckt hat, wird allen Beteiligten klar: Housing First ist ein Erfolgsprojekt!